4.7 Historische Wissenschaften

Wie schon in 3.2 dargelegt, haben sich im deutschen Sprachraum die Historiker schon 1962 mit dem Datenbankproblem in ihrem Fach auseinandergesetzt. Es ergeben sich in der Tat ganz natürliche Kompetenzen der Historiker in Hinsicht auf die Gestaltung des EncycloSpace:

Erstens wird die zeitliche Komponente des EncycloSpace als dominierende Dimension aus dem historischen Denken und Handeln zu verstehen sein. Der EncycloSpace ist aufgrund seiner Entwicklungsdynamik selbst zum zentralen Bild der historischen Entwicklung (der diachronen Achse) der Welt geworden.

Zweitens übernimmt der EncycloSpace als Weltgedächtnis in seinen Speichermedien eine Rolle mit herausragender Bedeutung und Verantwortung für die Menschheit.

Drittens müssen die Daten des Weltgedächtnisses in einer Weise abrufbar sein, dass sie uneingeschränkten Zugang erlauben zu allen Aspekten der aus Quellen erschliessbaren Weltgeschichte.

Viertens erfordert die Komplexität des Weltgedächtnisses Präsentationskonzepte von zeitkonstanten (synchronen), ortskonstanten (diachronen) und allgemeineren Querschnitten durch das System der Geschichte.

Fünftens müssen Fragen der Vernichtung von (möglicherweise) historisch relevanten Daten oder deren Verkapselung durch Informationsbarrieren (Archivierung, Geschäfts- und Standesgeheimnisse, Staatsgeheimnisse) systematisch erforscht und wissenschaftlich thematisiert werden. Das Gedächtnis der Menschheit kann nicht länger dem Zufall und der Willkür überlassen werden.

Dass die computergestützte Geschichtswissenschaft inzwischen ein wohletablierter Zweig ist, und dazu noch mit vorbildlicher Präsenz im Internet, bezeugt die Homepage der " Association for History and Computing ", welche an der Universität Groningen beheimatet ist.

Auch ganz praktisch beginnt die Geschichtswissenschaft, sich in Hyperdokumenten ausgewählten Stoff zu repräsentieren. So sind z.B. grosse Teile der US-amerikanischen Geschichte in auf dem Internet zugänglich. Dieser Hypertext kann entlang dem Haupttext oder aber nach ganz individuellen Präferenzen gelesen werden. Er wurde aus dem Werk "An Outline of American History" in einer Zusammenarbeit von 25 Studenten unter der Leitung von George M. Welling seit 1994 aufgebaut und wird solange weiter wachsen und erneuert werden, wie sich Sponsoren und Freiwillige finden, daran zu arbeiten. Dieses Beispiel zeigt schon ganz konkret die ständige Veränderung im EncycloSpace. Es sind die einzelnen Dokumente darin durchaus über lange Zeit aktiv und sterben auch nicht ab, resp. werden auch nicht wie Papierdokumente verramscht, wenn die ökonomischen Grundbedürfnisse der Verlage befriedigt sind.

 

Es ist im deutschen Sprachraum leider immer noch üblich, grosse "Handbücher" exklusiv auf Papier zu veröffentlichen. Das Tempo der Wissensveränderungen ist derart gross, dass solche Werke beim Erscheinen schon definitiv veraltet sind und noch "neuwertig" dem Restverkauf anheimfallen. Ein Beispiel ist das "Neue Handbuch der Musikwissenschaft" [24], das mit seiner Masse von 20 kg, und ohne jede Möglichkeit eines Updates, kurz nach seiner Fertigstellung beim Laaber-Verlag schon verramscht wurde. Der selben Fehlleistung macht sich der Metzler-Verlag mit seiner soeben exklusiv auf Papier erschienenen "Enzyklopädie der Philosophie und Wissenschaftstheorie" [141] schuldig. Ein mehrtausendseitiges Dokument muss heute auf das Netz, oder zumindest auf eine CD-ROM. So ist das Suchen schnell, zuverlässig und damit sinnvoll. Wälzen von schweren Büchern hat definitiv nichts mehr mit Wissenschaft zu tun.

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