3.1 Evaluation der Geisteswissenschaften in der Schweiz

Dazu verweisen wir auf die Publikationen [166], [167] des Schweizerischen Wissenschaftsrates. Im Executive Summary wird der gegenwärtigen geisteswissenschaftlichen Forschung ein insgesamt gutes Zeugnis ausgestellt. Allerdings fragt die Expertengruppe des Berichts [166], p.12, "ob auch morgen noch eine qualitativ befriedigende, international angesehene schweizerische Forschung existieren werde." Als Defizite werden genannt [166], p.12: "Fragmentierung der Forschungslandschaft, zu wenig Zusammenarbeit, geringe Mobilität, kaum ausgebildete Arbeitsteilung, wenig entwickelte Strukturierung nach Programmen und Gruppen, fehlende Wissenschaftspolititik im Bereich Geisteswissenschaften." Davon sind die Punkte Zusammenarbeit, Arbeitsteilung, Strukturierung und Wissenschaftspolitik unmittelbar durch Verbesserung von informations- und kommunikationstechnologischen Strukturen beeinflussbar, ja sie können anders gar nicht effektiv und konkret realisiert werden. Wir statuieren folgendes:

KERNTHESE 4. Eine Verbesserung der genannten Defizite geisteswissenschaftlicher Forschung könnte aus der Sicht der technologischen Infrastruktur und einer Hintergrundperspektive, die unser Bericht anspricht, mit einem Minimum an politischen und psychologischen Reibungsverlusten in die Wege geleitet werden.

Dass gerade informations- und kommunikationstechnologische Strukturen Katalysatoren für ein besseres Zukunftsbild sein könnten, lässt sich schon aus der (in Englisch verfassten) Hauptempfehlung Nr. 10 in [166], p.16, ablesen: "Computerization is well on its way, opening up new opportunities for collaboration within universities, but also between universities and extra-university facilities,(...)." Die Empfehlung verweist dann konkret auf spezifische Aspekte in den Disziplinen Archäologie, Kunstgeschichte, Linguistik, Musikwissenschaft etc.

Wir wollen nun die einzelnen Defizit-Punkte aus der Sicht der Charakteristika des EncycloSpace beleuchten und die obige Kernthese dahingehend erhärten, dass ein wissenschaftspolitischer Wille, das theoretische Verständnis eines EncycloSpace auch in die Tat umzusetzen, die von den SWR-Experten der Evaluation [166] genannten Defizite Punkt für Punkt eliminieren müsste.

Die SWR-Experten stellen in ihren Perspektiven zur Geisteswissenschaft in unserer Zeit in Kapitel 1.5, p. 33-34 von [166], die obgenannten Defizite vor das Szenario einer Forschung, die "unter immer grösseren Druck gerät, die gesellschaftliche Relevanz von Themen nachzuweisen." Sie folgern: "Solche Projekte erfordern eine ausgewogene Herangehensweise und legen eine sorgfältige Erneuerung und Belebung historischer und kontextueller Methoden nahe." Mit Verweis auf die heutige Informations- und Kommunikationstechnologie argumentieren die Experten dann zu Recht: "Niemals zuvor stand den Geisteswissenschaften ein wirkungsvolleres Instrumentarium für ihre Arbeit zur Verfügung, und dies insbesondere dort, wo sie in Gruppen erfolgt." Dieser Punkt ist durchaus paradox: Die belegte [165] Krisenstimmung in den Geisteswissenschaften rührt nicht daher, dass sie instrumental gegenüber den Naturwissenschaften benachteiligt sind, es geht hier vor allem um eine Erneuerung des Selbstverständnisses. Wir kommen darauf in 3.3 zu sprechen.

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