Vorwort

Wir geben eine Übersicht über die gegenwärtige Entwicklung der Musik aus der Wechselwirkung zwischen Technologie und Komposition, mit besonderer Berücksichtigung der neusten Errungenschaften der Informationstechnologie.

Zuerst erläutern wir die musiksemiotischen und -topographischen Grundlagen des Systems der Musik. Wir diskutieren darauf aufbauend Kodierung und Programmierung musikalischer Begriffe und Objekte für Komposition, Analyse und Interpretation und geben eine Übersicht zu Industrie-Standards wie MIDI, Music N, etc. für kreative resp. analytische Aufgaben der Darstellung und Verarbeitung. Wir besprechen dann Darstellungsmethoden für physikalische Klangobjekte in Synthese und Analyse: Fourier, FM, Wavelets und Physical Modeling. Wir besprechen zur Fourier-Methode insbesondere den FFT-Algorithmus (FFT = Fast Fourier Transform) sowie seine Anwendung in der mp3-Audioformat. Wir streifen die Diskretisierung der Wavelet-Analyse durch Frames sowie den FWT-Algorithmus (FWT = Fast Wavelet Transform) für das Haar-Wavelet.

Es folgt eine Einführung in die universelle Darstellungssprache der Denotatoren und Formen für musikalische Objekte, welche in der aktuellen Forschung angewendet wird. Diese Sprache wird eingesetzt für computergestützte Analyse und Interpretation von Partituren auf der Softwareplattform RUBATO, die in einer Version für Mac OS X als Open Source Freeware existiert.

Ferner diskutieren wir Methoden computergestützter Komposition: Standard-Sequenzer, die syntaktische Software MAX, evtl. auch OpenMusic, und die paradigmatische Kompositions-Software PRESTO (für Atari als shareware vorhanden), die gegenwärtig am IFI als RUBATO-Paket weiterentwickelt wird. Wir orientieren über Methoden der Navigation im Begriffsraum der Musik. Abschliessend werden Möglichkeiten und Grenzen einer "Musikenzyklopädie des Informationszeitalters" im Licht von Knowledge Science und Collaboratories umrissen.

Bei der Benutzung des Online-Buchs Comprehensive Mathematics for Computer Scientists und entsprechenden Kurses CoreITeM (vollständig ab WS 07/08) wird der Mozilla-Browser Seamonkey empfohlen zur richtigen Darstellung mathematischer Zeichen.

Wir beziehen uns aber vor allem auf das Buch "Elememte der Musikinformatik", das 2006 bei Birkhäuser in Basel erschienen ist, und das praktisch 1:1 den Online Kurs enthält.

Einführung

Diese Vorlesung erweitert das Standardangebot der Informatik- oder Musikwissenschaftsvorlesungen. Sie dokumentiert eine neue Ausrichtung im Sinn der transdisziplinären Wissensgesellschaft. Gerade der Bereich der Musik, welcher einerseits traditionell mit Instrumenten und "Programmen" und heute mit Computern und Software verbunden ist, stellt sehr hohe inhaltliche Ansprüche. Wir benutzen hier die Musik als kritischen Gegenstand für einen Dialog zwischen den extensionalen und operationellen Ansprüchen der Informatik einerseits und den intensionalen und reflektierenden Ansprüchen der Musikwissenschaft andererseits.

Um die gegenwärtige Situation besser zu verstehen, zitieren wir einen Konzept-Text zur Motivation für die anfangs Juni 1999 erfolgte Gründung des internet institute for music science, das dern nun gegründeten internationalen Society for Mathematics and Computation in Music Pate stand

In our society, music plays a fundamental and omnipresent role. However, we are far from controllinig this central phenomenon.

In order to understand, produce, communicate and store music, advanced multimedia technology and a network of knowledge is mandatory.

Such an interdisciplinary network embraces social sciences and humanities (sociology, psychology, musicology, pedagogics), natural sciences (mathematics, physics) information/communication and engineering sciences (semiotics, computer sciences, audio engineering) and covers theoretical and applied research as well as educational and industrial applications.

To activate, instantiate and connect this dispersed and fragmenatry knowledge, a powerful professional center of competence in music media science is of primordial necessity in the international scientific, educational, and industrial competition.

The allocation of a national center for music media science at the Multimedia Lab of the University of Zürich offers a unique opportunity to realize this vision of advanced music research and the development of new tools and knowledge concepts.


Musikinformatik ist nach dem übereinstimmenden Urteil von führenden Forschern nicht nur für sich von theoretischer, sozialer und oekonomischer Bedeutung im Informationszeitalter. Sie ist viel mehr noch Vorbild eines zukunftsträchtigen Forschungsfeldes mit allgemeinem Nutzen für Wissenschaft und Technologie. Dieser kann mit den drei Schlüsselbegriffen Daten, Räume, Standards umschrieben werden:


Für die allgemeine Bedeutung der Musikinformatik als Werkzeug einer exakten Musikwissenschaft im Rahmen des sich nun entwickelnden Wissensraumes der Informationsgesellschaft verweisen wir auf unsere Studie Humanities@EncycloSpace (= H@E) des Schweizerischen Wissenschaftsrats

In dieser Studie findet man auch zahlreiche Links zu Homepages von Geisteswissenschaften und speziell Musik-Institutionen, welche die Informationstechnologie nutzen und/oder thematisieren.

Projekte 1980-2005
Bild 1: Projekte 1980-2005


Bild 1 zeigt einige Projekte zum Aufbau einer exakten Musikwissenschaft, an denen ich seit 1980 beteiligt war, eine grosse Anzahl von Projekten lassen sich aus den jährlichen Proceedings der ICMC (International Computer Music Conference) ICMA (International Computer Music Association) ablesen. Man sollte dabei beachten, dass die ICMC nicht einem Kompositionsstil verpflichtet sind, sondern ganz allgemein den Einsatz von Computern in der Musikwissenschaft thematisieren. Bemerkenswert ist auch, dass an der ICMC05 in Barcelona erstmals eine Sektion Mathematical Music Theory angeboten wurde, und dass sich im Jahr 2005 auch die internationale Society for Mathematics and Computation in Music (mit einem eigenen Journal) formiert hat.

Diese Vorlesung kann in der angebotenen knappen Zeit keine spezialisierten Kenntnisse über Sound-Design, Studiotechnologie, MIDI-Programmierung, Datenkompression, Repräsentationstheorie für Musik-Objekte oder gar Mathematische Musiktheorie vermitteln.

Es soll aber eine Übersicht gegeben werden über die Entwicklung, die Bereiche des Musikwissens und die Forschungsperspektiven. Aufgrund der damit sich ergebenden Erfahrungen und Einsichten werden wir die künftigen Angebote entwerfen können. Sicher aber bietet diese Vorlesung eine Vorbereitung zu einer Ausbildung von Fachpersonen für Wissenschaft, Industrie und Erziehung (Ethnomusikologie, wissensbasierte systematische Musikwissenschaft, Studiotechnologie, Fachhochschulen etc.).

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